Arbeitsstätte Home-Office in Corona-Zeiten

von Katrin Höhn zuletzt geändert: 2020-05-06T10:04:39+02:00
Nun sind seit mehreren Wochen viele Menschen im Home-Office tätig. Mit dem Laptop am Küchentisch oder sonst irgendwo in der Wohnung arbeiten ist häufige Realität. Wurde Home-Office vor Corona noch erstrebenswert und als Zeichen großer Freiheiten im Betrieb gesehen, so gibt es inzwischen doch oft die Rückmeldung, dass Bildschirmarbeit ohne geeignete Arbeitsplatzausstattung anstrengend ist.

Hohe Bildschirmauflösungen, geringes Gewicht und leistungsfähige Prozessoren sind im Home-Office nun nicht mehr die alles entscheidenden Faktoren. Wenn jüngere Beschäftigte mit gutem Sehvermögen in offenen Bürostrukturen gerne mit mobilen Endgeräten in Sitzecken, Kaffeeküchen und an Stehtischen arbeiten, dann wird einem suggeriert, dass das die Zukunft der Büroarbeit ist. Auch die Werbebroschüren der Möbelhersteller gehen in diese Richtung und suggerieren ein Bild von „new work“ das dann aber seinen Praxistest am heimischen Küchentisch nach dem erzwungenen Corona-Großversuch nicht besteht.

 

Wie ist die Sachlage aus der Sicht des Arbeitsschutzes, gilt bei Home-Office die Arbeitsstättenverordnung?

In der ArbStättV ist die Telearbeit explizit geregelt. Telearbeitsplätze sind demnach vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten (vgl. ArbStättV § 2 (7)). Es muss hierzu arbeitsvertragliche Regelungen geben. Um diese auszuarbeiten hat nun in der Coronakrise oft die Zeit gefehlt und vorher der Wille. Denn wenn es sich um einen Telearbeitsplatz handelt, gelten gewisse Regelungen. Es müssen die Vorgaben der ArbStättV eingehalten werden und in einer kleinen Innenstadtwohnung kann das schon vom Platz her schwierig werden. Wird das Home-Office als mobiles Arbeiten ohne vertragliche Regelungen ermöglich, dann will man eben diese Regelungen zur Telearbeit umgehen und sich als flexibler mitarbeiterorientierter Arbeitgeber präsentieren. Mobile Arbeit wie z. B. im Zug oder in Flughafenlounges ist nun am heimischen Küchentisch mehr stationär als mobil. Anforderungen an tragbare Bildschirmgeräte für die ortsveränderliche Verwendung an Arbeitsplätzen sind in Anhang 6.5 der ArbStättV enthalten. Sie müssen der Arbeitsaufgabe entsprechend angemessen sein. Jetzt ist der heimische Küchentisch kein Arbeitsplatz und auch die ArbStättV gilt nicht. ABER: Wenn gearbeitet wird, gilt immer das Arbeitsschutzgesetz, das wird bei mobiler Arbeit wie z. B. im Zug oder der Flughafenlounge gerne vergessen. Folglich gilt auch bei quasistationärer Arbeit im Home-Office § 5 ArbSchG und die Arbeitsbedingungen müssen beurteilt werden.

 

Welche Probleme bzw. gesundheitlichen Belastungen sind vorhanden?

Primär ist Bildschirmarbeit eine Sehaufgabe, d. h. der Körper wird so ausgerichtet, dass die Zeichen auf der Bildschirmoberfläche gut zu erkennen sind. Für die Zeichengröße gibt es abhängig vom Sehabstand Empfehlungen.

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Zeichengröße in Abhängigkeit vom Sehabstand, Sehwinkel in Bogenminuten (Quelle: DIN EN 9241-303)

 

Selbst wenn Sehabstand und Zeichengröße „zusammenpassen“, heißt das noch lange nicht, dass auch die Körperhaltung günstig ist. In der Regel „passt“ die menschliche Anatomie bei der Arbeit am Laptop nicht zu günstigen Sehbedingungen wie in den folgenden beiden Bildern zu sehen ist.

Arbeitsstätten_2.jpgArbeitsstätten_3.jpg

Mit welchen Methoden kann mobile Arbeit mit tragbaren Bildschirmgeräten beurteilt werden?

Ursprünglich ging es bei Bildschirmarbeit um die Augenbeanspruchung und die in die Arbeitsstättenverordnung integrierte Bildschirmarbeitsverordnung hatte dieses primär im Blick. Bei inzwischen deutlich besseren Bildschirmen mit hoher Auflösung ist nun die erzwungene Körperhaltung das Problem. Bei der Verwendung von hand held devices, insbesondere von Tablets ist bedingt durch das Gewicht des Geräts auch noch statische Haltearbeit notwendig.

Als geeignete Beurteilungsverfahren für die Gelenkstellung der oberen Extremitäten können folgende Methoden verwendet werden:

  • Leitmerkmalmethode zur Beurteilung und Gestaltung von Belastungen bei Körperzwangshaltungen (LMM-KH)
  • Leitmerkmalmethode zur Beurteilung und Gestaltung von Belastungen bei manuellen Arbeitsprozessen (LMM-MA)
  • OWAS - Ovako Working Posture Analysis System
  • RULA - Rapid Upper Limb Assessment

Bei der Anwendung der LMM-KH (https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Physische-Belastung/Leitmerkmalmethode/pdf/LMM-Koerperzwangshaltungen.pdf?__blob=publicationFile&v=4) kommt man bei einer Arbeitsdauer mit einem Laptop ohne externe Tastatur und Maus ab ca. einer Stunde in den Bereich der erhöhten Belastung. Bei einer längeren Nutzung sind Maßnahmen zur Verbesserung der Situation notwendig. Bei der quasistationären Arbeit im Home-Office besteht also Handlungsbedarf. Gestaltungsmaßnahmen sind notwendig.

 

Gestaltungsmaßnahmen

Wenn es im Home-Office schon nicht zur Einrichtung eines Bildschirmarbeitsplatzes reicht welcher die Erkenntnisse der Ergonomie berücksichtigt, dann wird spätestens durch die Beurteilung der Arbeitsbedingungen deutlich, dass eine Arbeit nur mit Laptop oder Tablet nicht den Anforderungen des Arbeitsschutzes entspricht (auch wenn diese Geräte selbst noch so leistungsfähig sind). Es ist mindestens eine Trennung von Bildschirm und Tastatur notwendig (was sich eben aus den biomechanischen Gegebenheiten erschließt). Allerdings muss beachtet werden, dass sich das Problem nicht lösen lässt, wenn nur eine externe Tastatur verwendet wird. Der Bildschirm muss so positioniert werden, dass bei einer physiologisch günstigen Körperhaltung die Sehlinie auf die Bildschirmmitte trifft und senkrecht zur Bildschirmoberfläche ist. Diese Grundregel ist seit Jahren hinlänglich bekannt. Inzwischen gibt es im Handel Laptop- bzw. Tablethalter welche den Bildschirm in eine günstige Position bringen und zusammen mit einer externen Tastatur (und Maus) einen ergonomisch akzeptablen Arbeitsplatz im Home-Office ermöglichen. Ein Beispiel zeigt die folgende Grafik.

Arbeitsstätten_4.jpg

Beispiel für einen Arbeitsplatz mit Laptophalter (Quelle: https://www.bakkerelkhuizen.de)

 

Fazit

Das Home-Office ist kein rechtsfreier Raum, auch wenn in Corona-Zeiten besondere Bedingungen herrschen. Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben geeignete Beurteilungsverfahren für die Arbeit im Home-Office und sie kennen Gestaltungsmaßnahmen, die auch nach Corona noch wirksam sind.

Angaben zum Autor:

Prof.-Dr.-Ing. Martin Schmauder, Technische Universität Dresden, Professur für Arbeitswissenschaft
Herr Prof. Schmauder ist aktive Fachkraft für Arbeitssicherheit und Mitglied im Ausschuss für Arbeitsstätten und Ausschuss für Betriebssicherheit des BMAS

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