Ist die Arbeitsstättenverordnung noch zeitgemäß? Ein Kommentar von Uwe Dünkel
Viele Arbeitsschützer denken deshalb sicher schon lange das, was der Zentrale Immobilienausschuss e. v. (ZIA) im Mai dieses Jahres in Ihrer Pressemitteilung veröffentlicht hat. Die Kritik ist berechtigt: „Festgeschriebene Maße für Büros, Bewegungsflächen und die mangelnde Flexibilität in der Flächennutzung seien nicht mehr zeitgemäß.“ Wir müssen uns in Zeiten der Deregulierung des Arbeitsschutzes wirklich ernsthaft fragen, ob die derzeitige Form und die Inhalt der Arbeitsstättenverordnung und seinen konkretisierenden Regeln für Arbeitsstätten (ASR) noch zeitgemäß sind.
Der Strukturwandel, die IT, mobile Arbeit, Desksharing und auch das Grundverständnis zwischen Arbeiten & Leben (Work- Life- Balance) verändert die Arbeitswelten nachhaltig und ganzheitlich. Und immer noch gelten die Arbeitsstättenverordnung und ihre konkretisierenden Arbeitsstättenregeln konservativ als rechtliche Grundlage für moderne Flächenkonzepte. Die Zia hinterfragt demnach zu recht: Kann die Arbeitsstättenverordnung das überhaupt noch? „In der Transformation der Arbeitswelten spielen nämlich weitaus mehr Faktoren eine Rolle - alleine schon technologische Lösungen können einen erheblichen Mehrwert liefern. Schönes Design alleine ist keine Antwort“, schreibt der Verband auf seiner Website[1].
Ich erlebe als Dozent in der Sifa-Ausbildung, als Sicherheitsingenieur mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, gerichtlichen Einigungsstellenverfahren mit Sozialpartner und auch als Gutachter bei Streitigkeiten bei Umgestaltungen von Arbeitsstätten, dass ein Umdenken unbedingt erforderlich werden muss. Vor allem dann, wenn in Unternehmen historisch bedingt Personal mehrere „Generationen“ arbeiten. Auf der einen Seite z. B. älteren Menschen die „Jahrzehnte“ ihre ein- oder Zweiraumbüros zu kleinen „Privatbereichen“ umfunktioniert haben. Und auf der anderen Seite junge dynamische, aufstrebende Mitarbeiter(innen), die es überhaupt nicht stört, auch mal mit Headset an einem Desksharing- Tisch zu sitzen und dort „temporär“ zu arbeiten, bis sie wieder „mobil“ unterwegs sind und schon einen Tag später wieder von zu Hause aus arbeiten. Dies sind Mitarbeiter(innen), die „Arbeit und Beruf“ miteinander verbinden möchten, es lieber mögen, in Wohlfühlräumen auf Kollegen(innen) zu treffen, den betrieblichen Fitnessraum nutzen, die Ruhe- und Relax- Zonen, oder zwischendurch den Friseurtermin gleich unten im Hause wahrnehmen.
Fachkräfte Für Arbeitssicherheit, die erfolgreich ihre Ausbildung durchlaufen, müssen fachlich höchsten Ansprüchen gerecht werden, die Anforderungen an sie sind exorbitant gestiegen. Aber Sifa sein bedeutet mehr, vor allem dann, wenn sie von Leidenschaft angetrieben werden und nicht mehr wie früher als „wandelndes Gesetzbuch“ agieren. Es kommt also auch sehr stark auf soziale Kompetenz an, charakterliche Eigenschaften und auch die methodischen Fähigkeiten, den erforderlichen Spagat zu wagen, das Spannungsfeld zwischen einem asymptotischen Mehrwert in Sachen Sicherheit und „Klein Krämerei“ zu wagen. Vor allem dann, wenn sich Regeln der Technik nicht 1:1 umsetzen lassen und Alternativen gefragt sind um das Schutzziel der Verordnung zu erreichen. Mit dieser wandelnden „Sicherheitskultur“ kann nicht jede Sifa umgehen.
Ich habe „Opens Space“ gesehen, die sogar künstlerisch anmutend waren, „Feng Shui“ Konzepte und andere „Wohlfühl“- Konzepte, in der ich mich fragte, wie hier die Arbeitsstättenverordnung mit ihren ASR umgesetzt worden sind.
Damit moderne Sifa künftig in den neuen Bürowelten mit innovativen Raum, Flächen- und Lichtkonzepten „berechtigte Interessen“ bestehen können, sollten auch solche besonderen Spezifikationen in die Sifa- Ausbildung einfließen. Auch die Teilnahme von Menschen mit Berufen aus der Facility Management Branche an ASTA Ausschüssen wäre wahrscheinlich vorteilhaft. Die Deregulierung schreitet voran, der Arbeitsschutz sollte den Anschluss nicht verlieren.
[1] https://www.zia-deutschland.de/themen/bueroimmobilien/zeitgerechte-arbeitsstaettenverordnung/