Quo vadis Sifa? Wohin soll sich die Fachkraft für Arbeitssicherheit entwickeln?

von Ulf-J. Schappmann zuletzt geändert: 2020-04-21T13:46:45+01:00
Wohin soll der Weg der Sifa gehen und wie soll es gelingen, junge Menschen für diese Profession zu gewinnen? Einige Gedanken zur Entwicklung der Fachkraft für Arbeitssicherheit aus Sicht von Ulf J. Schappmann.

In vielen Gesprächen und Diskussionen mit Fachkolleginnen und Fachkollegen, aber auch bei anderen beruflichen und privaten Kontakten wird immer wieder das Thema des demografischen Wandels und der sich daraus ergebenden Folgen angesprochen, ohne am Ende zu einem befriedigenden Ergebnis zu gelangen.

Gleichfalls ist es so, dass in Newslettern, in Fachzeitschriften und anderen Medien, die sich mit dem Thema „Sicherheit und Gesundheitsschutz“ befassen, Stellenanzeigen erschienen, in denen Fachkräfte für Arbeitssicherheit gesucht werden. Ist dieser Beruf unattraktiv oder schlecht bezahlt oder warum gibt es hier einen Mangel? Auch wenn es nach einer BAuA Studie aus dem Jahr 2017 keinen Mangel an Sifas gibt, ist mir bekannt, dass ein Teil der ausgebildeten Sifas nicht in dieser Funktion tätig ist. Und wohin wird sich das Tätigkeitsbild der Fachkraft für Arbeitssicherheit entwickeln? Wird es der von manchen beschworene „Manager for Health and Safety“ oder der HSE-Experte oder etwas ganz anderes?

Zudem wird immer wieder gefordert und es ist zum Teil schon so, dass Personen mit einer nicht technischen Vorbildung Fachkräfte für Arbeitssicherheit werden. Also wohin soll und wird sich das Ganze entwickeln?

Nun gibt es leider keine Glaskugel und das Seminar für Hellsehen und Wahrsagen wird auch nur auf den für normale Menschen nicht zugänglichen Zauberschulen angeboten, trotzdem soll versucht werden, mögliche Entwicklungen aufzuzeigen.

Anforderungen an Fachkräfte für Arbeitssicherheit

Grundlage hierfür muss aber immer der Gedanke an das Grundgesetz für die Tätigkeit der Fachkräfte für Arbeitssicherheit sein, das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz - ASiG) vom 12. Dezember 1973. Es beschreibt im dritten Abschnitt die Bestellung und die Aufgaben sowie die Anforderungen an Fachkräfte für Arbeitssicherheit.

Interessant ist hierbei der Teil „Anforderungen an Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ (§ 7 ASiG). Neben der erforderlichen sicherheitstechnischen Fachkunde muss eine Ausbildung als Ingenieur, Meister oder Techniker vorliegen. Ausnahmen sind nur mit Einzelfallentscheidung der zuständigen Behörde zulässig, und das auch nur für den Sicherheitsingenieur.

Hier wird also nichts von nichttechnischen Berufen gesagt. Es werden auch keine anderen Professionen, wie Arbeitspsychologen, Arbeitshygieniker oder Ergonomen benannt.

Arbeitswelt hat sich gewandelt

Nun ist auch klar, seit 1973 hat die Arbeitswelt sich gewaltig weiterentwickelt. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ASiG waren Personalcomputer eine noch unbekannte Größe, von Tablets, Smartphones und dergleichen ganz zu schweigen. Und Digitalisierung war etwas, was noch nicht einmal als Wort bekannt war. In den Unternehmen wurden die ersten Bearbeitungszentren eingeführt, die Entwicklung von Robotern begann und der Einsatz erster EDV-gestützter Zeichnungsprogramme wurde erprobt. Briefe wurden noch auf Schreibmaschinen geschrieben und wichtige Nachrichten per Fernschreiber (Telex) versandt.  Der Bereich der Arbeitssicherheit konzentriertere sich auf die Gestaltung von sicheren Maschinen und Arbeitsverfahren in der Industrie. Arbeitsplätze im Büro oder in anderen Wirtschaftsbereichen waren kaum im Blickfeld der Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Zudem gab es auch hauptsächlich welche in größeren Unternehmen.

Heute sieht das ganz anders aus. Wir erleben einen beispiellosen Umbruch in der Gestaltung unserer Arbeitsumwelt. Nicht nur das vernetzte Systeme immer stärker die Arbeitsabläufe bestimmen, sondern unser gesamtes Verhalten am Arbeitsplatz, aber auch in der Freizeit verändert sich. Gerade durch die aktuelle Krisensituation gewinnen solche, bisher etwas stiefmütterlich behandelten Themen, wie Homeoffice oder Kommunikation über digitale Systeme einen ganz neuen Aufschwung.

Kompetenzen, Aufgaben-/ Rollenbilder und Kooperation im Arbeitsschutz neu denken

Welche Aufgaben sollen nun hier die Fachkräfte für Arbeitssicherheit erfüllen? Reicht das was das ASiG bisher als Aufgaben definiert hat? Nach § 6 ASiG hat die Fachkraft für Arbeitssicherheit den Arbeitgeber (Unternehmer) in allen Fragen der Arbeitssicherheit zu unterstützen. Dazu hat sie zu beraten, zu überprüfen, zu beobachten und hinzuwirken. Sie ist also Berater der Unternehmensleitung und der Führungskräfte.

Diese Aufgabe kann sie aber nur erfüllen, wenn sie von den Personen der Unternehmensleitung auch als fachlich kompetente und vor allen als gleichrangige Person angesehen wird.

Und hier liegt vielfach ein erstes Problem, denn es geht nicht nur um die fachliche Kompetenz, sondern auch um die Einordnung in die Hierarchie des Unternehmens. Daran hängt zum Teil auch die Bezahlung, aber das nur am Rand.

Kann eine Fachkraft für Arbeitssicherheit diese Aufgabe aber allein und vollständig erfüllen? Aus über 30-jähriger Erfahrung als Sicherheitsingenieur, der auch in der Ausbildung von Fachkräften für Arbeitssicherheit und von Sicherheitsbeauftragten und Führungskräften tägig war, meine ich nein. 

Warum nein? Eine einzelne Fachkraft kann gar nicht so viel Wissen ansammeln, wie zur Lösung der unterschiedlichsten Probleme erforderlich ist. Hier hilft entweder nur eine gute Vernetzung oder die grundsätzliche Einbindung mehrerer Professionen in die Beratung.

Letzteres würde aber eine grundlegende Änderung der Ausbildung und auch der Gestaltung des Tätigkeitsfeldes für Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte bedeuten. Das könnte aber auch die Attraktivität der Tätigkeiten fördern und damit junge Menschen ermutigen hier einzusteigen.

Das Ziel der menschengerechten Gestaltung der Arbeitswelt könnte damit wesentlich leichter erreicht werden, da dann immer eine bedarfs- und zielgruppengerechte Beratung möglich wäre.

Es würde aber auch bedeuten, dass die bisherige Praxis der gesetzlich vorgeschriebenen Bestellung von Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte mit vorgegebenen Einsatzzeiten aufgegeben werden muss und dieses Konzept von einer problemlösungsorientierten Gestaltung der notwendigen Beratungsleistungen auf der Grundlage von einer sachgerechten Beurteilung der Arbeitsbedingungen abgelöst wird.

Akzeptanz von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit durch zeitgemäße Regelungen erhöhen

Dazu wären aus meiner Sicht zwei Voraussetzungen zu schaffen:

  • Ersten eine verpflichtende Aufnahme des Kenntniserwerbs zu Sicherheit und Gesundheitsschutz in alle Ausbildungsbereiche von der Lehre über das Studium bis in alle beruflichen Zertifikatsweiterbildungen und
  • Zweitens eine für alle verständliche und allgemeingültige Regelung zur ganzheitlichen Beurteilung der Arbeitsbedingungen mit daraus resultierenden Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten.

Sollte das gelingen, dann steht der Entwicklung der Fachkraft für Arbeitssicherheit zum Experten für Sicherheit (Safety & Security), Gesundheit (Health) und Umweltschutz (Environment) nichts im Weg.

Autor:

Dipl.-Ing. Ulf-J. Schappmann

Sicherheitsingenieur VDSI

SIMEBU Thüringen GmbH