Sifa-Ausbildung 3.0: Neugestalteter Ausbildungslehrgang
Wer als Sifa tätig werden will, muss einen entsprechenden Ausbildungslehrgang absolvieren. Dieser Lehrgang („Sifa-Ausbildung“) wurde neugestaltet, um die Wirksamkeit der Sifas zu stärken. Ein kurzer Überblick.
Die systematische Ausbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa) findet seit 1979 statt. Seit dem Jahr 2001 läuft das aktuelle Ausbildungsmodell. Nun, 40 Jahre nach dem Start des allerersten Lehrgangs, geht mit dem weiterentwickelten Ausbildungsmodell die Sifa-Ausbildung 3.0 an den Start. Mit der neugestalteten Sifa-Ausbildung gibt es keine getrennten Ausbildungssysteme mehr für den öffentlichen und den gewerblichen Bereich.
Praxisorientiert und handlungskompetent
Die Aufgaben der Sifa sind im Arbeitssicherheitsgesetz beschrieben und in der DGUV Vorschrift 2 konkretisiert.
Was muss eine Sifa können, um diese Aufgaben übernehmen und im Betrieb zu allen Fragen von Sicherheit und Gesundheit kompetent beraten und unterstützen zu können?
Diese Frage war unser Ausgangspunkt für die Neugestaltung. Eins ist klar: Viel zu wissen reicht allein nicht aus. Wir müssen das Wissen auch anwenden und dadurch kompetent handeln können.
Dieses kompetente Handeln haben wir im Kompetenzprofil der Sifa beschrieben: https://www.dguv.de/webcode.jsp?query= m1383594. Das Fachwissen steht dabei weder über noch unter den anderen Kompetenzen. Nur wenn jeder Kompetenzbereich gut ausgeprägt ist, kann die Sifa ihre Unterstützungs- und Beratungsleistung wirksam erbringen.
Lernen, Lernen, Lernen
Lernen in der Sifa-Ausbildung bedeutet für uns Lernen für die Praxis. Vom Beginn bis zum Ende des Sifa-Ausbildungslehrgangs bewegen sich deshalb die angehenden Sifas in praxisnahen Handlungssituationen, die damit den „roten Faden“ durch die Ausbildung bilden. Die Handlungssituationen haben wir an den betrieblichen Aufgaben einer Sifa orientiert – sie können sich so oder ähnlich auch im eigenen Betrieb ergeben.
Im Mittelpunkt steht dabei immer das kompetente Handeln als Sifa in einer Handlungssituation. Ein Beispiel für eine solche Handlungssituation: „Die Sifa unterstützt eine Führungskraft zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen.“
Das Lernen haben wir in einer 4er-Schrittfolge ausgestaltet:
- Aneignen von neuen Kompetenzen (z.B. durch das zielgerichtete Lesen von Wissensbausteinen),
- Einüben der neuen Kompetenzen in audiovisuell aufbereiteten Beispielsituationen (z.B. ein Arbeitssystem in der Fertigung oder im Büro),
- Anwenden im eigenen Betrieb (Praktikum) und
- Reflektieren der Tragfähigkeit der neu erworbenen Kompetenzen für die Praxis sowie der eigenen Rolle dabei.
Sifa-Wissensbausteine: Fundiertes Fachwissen
Das Fachwissen, dass sich die angehenden Sifas im Rahmen der Ausbildung aneignen sollen, haben wir neu geordnet und aktualisiert. In einer Online-Bibliothek stehen knapp 100 Sifa-Wissensbausteine als Lernmaterial bereit.
Die Sifa-Wissensbausteine will die DGUV allen Interessierten online zur Verfügung stellen. Damit füllen wir den Ansatz des lebenslangen Lernens mit Leben und bieten den Fachleuten im Bereich Sicherheit und Gesundheit eine stets aktuelle Übersicht des grundlegenden Fachwissens an.
Lernerfolgskontrollen
In fünf Lernerfolgskontrollen (LEK) weisen die angehenden Sifas ihr kompetentes Handeln nach: Zweimal anhand von audiovisuell aufbereiteten Beispielsituationen, zweimal im Rahmen von Praktikumsteilen im eigenen Betrieb. Die letzte LEK besteht aus einer kollegialen Beratung zur Organisation für Sicherheit und Gesundheit im Betrieb.
Sifa-Lernwelt: Integration der Lernorte
Der Sifa-Ausbildungslehrgang ist ein Blended Learning Angebot; er findet an drei verschiedenen Lernorten statt:
- im Seminar (7 Seminare, insgesamt 20 volle Tage)
- im selbstorganisierten Lernen (SOL) (6 Module, insgesamt ca. 35 Tage / 280 Stunden)
- im eigenen Betrieb („Praktikum“) (4 Module, insgesamt ca. 35 Tage / 280 Stunden)
Die drei Lernorte sind untereinander eng verzahnt. Kernelement ist dabei die „Sifa-Lernwelt“, der Kurs auf der Lernplattform.
Hier befindet sich die Bibliothek mit den Sifa-Wissensbausteinen und anderen Medien und Materialien zur Wissensaneignung, im Unternehmen „BeiSpiel“ werden die Aufgaben der Sifa eingeübt, in der Sifa-Lounge tauschen sich die Lernenden untereinander oder mit ihren Lernbegleiterinnen und Lernbegleitern aus.
Ganzheitlicher Ansatz bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen
Was macht krank / was schädigt? Und was hält gesund? Bei Sicherheit und Gesundheit im Betrieb geht es immer darum, Risiken für die Gesundheit und gesunderhaltende und gesundheitsfördernde Wirkungen von Arbeitsbedingungen aufzudecken und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Aufgabe der Sifa ist es, hier zu unterstützen, zu beraten und auch zu motivieren.
Im Mittelpunkt steht dabei der Mensch. Wir schauen in der Sifa-Ausbildung auf die Gefährdungen in ihrem umfassenden Sinn, also auch auf Belastungen und den Erhalt der gesundheitlichen Ressourcen. Nur konsequent: Wir sprechen nicht mehr von Gefährdungsfaktoren, sondern von den Einwirkungen auf die Menschen.
Die Beurteilung der Arbeitsbedingungen geschieht ganzheitlich: in den Blick genommen werden alle Einwirkungen von Schall über psychische Faktoren bis zu mechanischen Einwirkungen. Drei Modelle (Gesundheitsschaden-Modell, Belastungs-Beanspruchungs-Modell, systemisches Anforderungs-Ressourcen-Modell) helfen, das Arbeitssystem aus den jeweils unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und zu analysieren.
Betriebliche Organisation und Kultur
„Am meisten bewirken wir, wenn wir uns um die Organisation kümmern“, meinte eine Teilnehmerin im Pilotkurs dieses Jahr. Wenn wir Sicherheit und Gesundheit im Betrieb präventiv angehen wollen und unser Tun wirksam sein soll, bedarf es entsprechender betrieblicher Prozesse und Strukturen. Sicherheit und Gesundheit muss integraler Bestandteil der betrieblichen Organisation sein. In der Ausbildung lernen die angehenden Sifas verstärkt, wie eine geeignete Organisation ausgestaltet und implementiert werden kann und welche Aufgaben hierbei auf die Sifa zukommen. Die Sifa-Ausbildung geht hierbei von den Grundzügen der neuen Norm für Arbeitsschutzmanagementsysteme aus.
Entscheidend für Sicherheit und Gesundheit im Betrieb ist letztlich nicht nur eine geeignete Organisation, sondern die Präventionskultur. Die Sifa-Ausbildung greift auf, wie der Zustand von Präventionskultur in Organisationen beschrieben werden kann und behandelt Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung der Präventionskultur. Die angehenden Sifas erleben dabei, wie sie selbst und andere Menschen im Idealfall begeistert werden, Sicherheit und Gesundheit als zentrale Werte bei ihren Entscheidungen und Aktivitäten zu berücksichtigen – ganz im Sinn der Kampagne kommmitmensch.
Arbeiten 4.0 und Sifa-Ausbildung 3.0
Arbeitswelt und Gesellschaft befinden sich in einem stetigen Wandel. Dieser Wandel verändert auch die Anforderungen an die Sifa. Wir sind überzeugt: Die Sifa-Ausbildung schafft hierfür die erforderlichen Grundlagen. Sie befähigt die Sifa, ihr Know-how ständig anzupassen an sich verändernde Situationen und Bedarfe. Die Wandlungsprozesse können so von der Sifa aktiv gestaltet werden. Je nach Tätigkeitsfeld und Bedarf können Sicherheits- und Gesundheitsaspekte der Digitalisierung, des demographischen Wandels, neuer Technologien etc. somit von der Sifa nach der Ausbildung aktiv erschlossen werden. Das ersetzt aber nicht entsprechende Weiterbildungen.
Pilotierung: Erste Erfahrungen
Von März 2018 bis April 2019 fanden zwei Pilotkurse im IAG in Dresden statt. Das tolle Ergebnis: das Konzept funktioniert.
Umsetzung bei den Ausbildungsträgern
Die ersten Unfallversicherungsträger stellen die Sifa-Ausbildung im zweiten Halbjahr 2019 um; bis Ende 2021 werden alle Berufsgenossenschaften und Unfallkassen voraussichtlich umgestellt haben. Beraten wird derzeit, wie die Umsetzung bei den freien Ausbildungsträgern und bei den Hochschulen erfolgen kann.
Fragen und Kommentare zur neuen Sifa-Ausbildung richten Sie bitte an die beiden Autoren direkt in der Kommentarspalte.